August 25, 2013

Sebastian Heiner


SEBASTIAN HEINER


Vita
1964 Born in Berlin. 1984-91 Study at the Berlin University of the Arts, Berlin. 1986 Summer academy in the class of Wolf Vostell, Malpartida de Caceres, Spain. 1991 Master Student at the Berlin University of the Arts in the class of Klaus Fußmann. 2004-08 Lives and works in Berlin and Beijing. 2009 Fellow at the Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf, Brandenburg. 2010 Lives and works in Shanghai, Studio at North Bund Art Zone. 2011 Lives and works in Berlin. 2012-13 Lives and works in Bangkok, V64 Art Studio and Berlin.
www.sebastianheiner.de



Katalog / Catalogue:
Sebastian Heiner Bangkok 2013, V64 Art Studio, Bangkok 2013


Axel Feuß:
MEGACITY ACTION PAINTING

(for English please scroll down) 

Zum wiederholten Mal reiste Sebastian Heiner nach Fernost um dort zu malen. Von 2004 bis 2008 unterhielt er neben seinem Atelier in Berlin auch eines in Beijing. Bald wurden in der chinesischen Hauptstadt Künstler, Kuratoren und Galeristen auf ihn aufmerksam. Am Ende standen viel beachtete Einzelausstellungen in Beijing und Deutschland seiner in China entstandenen Werke. 2010/11 arbeitete er in Shanghai, wo er sich in der North Bund Art Zone ein Atelier mit dem Maler Liu Gang teilte. Jetzt, im Dezember 2012, verwirklichte er den schon länger gehegten Plan, während eines mehrmonatigen Aufenthalts in der thailändischen Hauptstadt Bangkok zu malen. Sicher verbindet ihn seit seinem ersten Aufenthalt in China eine besondere Faszination mit Ostasien und vor allem mit den menschlichen Erfahrungen, die er in der Zusammenarbeit mit den dortigen Malerkollegen machte. Aber kann man in den Werken eines abstrakt arbeitenden Künstlers wirklich eine Brücke zwischen Europa und dem Osten oder gar ein daoistisches Prinzip erkennen, wie es chinesische und deutsche Autoren der vorangegangenen Kataloge ausgemacht haben wollen? Würde man in den in Thailand entstandenen Werken Einflüsse der lokalen Kultur entdecken können?

 Sebastian Heiner: Sounds in the Morning, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Der Künstler selbst legt Wert auf die Feststellung, dass der bloße Ortswechsel, weg aus Berlin in noch viel größere, pulsierendere Städte, die Befreiung vom eigenen Ich, den Antrieb zu einer Steigerung der Kreativität mit sich bringen würde. Wie zuvor Beijing und Shanghai ist auch Bangkok für ihn ein Moloch, eine Menschen verschlingende Stadt. Patrick Dreher, Autor des 2007 in Beijing entstandenen Katalogs, bestätigt den chaotischen Charakter der chinesischen Großstädte, unter dem die Bewohner offenbar mehr leiden als dass sie dort Lebensfreude empfinden. Auch Bangkok macht diesem Eindruck gelegentlich alle Ehre, wenn man beispielsweise für die abendliche Bustour von einem Stadtteil in den anderen bis zu drei Stunden benötigt. Sebastian Heiner trägt seine Malerei mit explosiven Formen und der Qualität einer Performance vor. Er bewirft die Leinwand mit Farbe, quetscht Ölfarbe mit dem Fuß aus der Tube heraus, verteilt sie mit Händen, Unterarmen und improvisierten Spachteln auf dem Malgrund und strukturiert sie mit Besen und Fliegenklatsche. Ist dies also eine Kunst, die das chaotische Erscheinungsbild der ausufernden Millionenstädte reflektiert?

Sebastian Heiner: After True Vision, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Anders als viele andere europäische, amerikanische und australische Künstler, die als Touristen nach Bangkok kommen, das Land kennen lernen, Kontakte zu den zahlreichen Kunsthochschulen und der sich langsam entwickelnden Galerien-Szene knüpfen und dann mit Bedacht anfangen künstlerisch tätig zu werden, hat er nach kurzer Vorbereitungszeit abseits von den touristischen Highlights ein Atelier in den Ausuferungen Bangkoks gefunden und sofort zu malen begonnen. Fast schien es, als würde er diesmal zu große Nähe, einen zu langen Aufenthalt mit intensiven Einflüssen der fremden Kultur vermeiden wollen. Und tatsächlich zeigen seine dort entstandenen Werke keine figürlichen oder erzählerischen Elemente mehr wie sie in den in China gemalten Bildern in Form von Gesichtern und Gliedmaßen oder chinesischen Schriftzeichen gelegentlich erscheinen, sondern sind ausschließlich abstrakt.

Sebastian Heiner: Flash City, 2013. 
Oil and spray on canvas, 180 x 140 cm

Der Maler mietete ein Atelier in der Künstler-Kooperative V64 , einem Zusammenschluss von über siebzig Künstlern, die 2011 einen Komplex aus meist einstöckigen, um einen zentralen Platz gruppierten Lagerhäusern erwarben und dort rund vierzig Ateliers, eine Galerie, Kunstakademie, Musikschule, und einen Coffee-Shop einrichteten. Der Hinweis auf diese Ateliergemeinschaft kam von befreundeten thailändischen Künstlern, die in Deutschland leben und zwischen beiden Ländern pendeln. Auch die Künstler von V64 sind weltoffen. Viele haben im Ausland studiert und pflegen Kontakte zu Galerien in aller Welt. Abseits einer großen Ausfallstraße, der Chaeng Wattana, auf halbem Weg zwischen dem Chatuchak-Wochenendmarkt und dem alten Flughafen Don Muang gelegen, ist V64 eine Oase der Ruhe und Kreativität. 

Sebastian Heiner: Taxi, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Bangkok ist vieles gleichzeitig: die Stadt der großen Einkaufszentren und quirligen Boulevards, an denen laufend neue Hotels, Bürohochhäuser und Shopping Malls entstehen und wo allabendlich zur Zeit der Rushhour die Nachtmärkte aufgebaut werden. Bangkok ist die Stadt der kleinen verwinkelten Quartiere, in denen die Menschen ihren täglichen Geschäften nachgehen, wo sie alles Lebensnotwendige finden und die sie nie verlassen müssen. Und es ist die Stadt der zersiedelten Vorstädte, die von mehrspurigen Magistralen, riesigen Kreuzungen, Überführungen und auf Betonpfeilern stehenden Stadtautobahnen zerschnitten werden. Verlässt man diese Hauptstraßen durch eine der seitlichen von Wohn- und Geschäftshäusern gesäumten Gassen, so gelangt man zu kleinen Straßenmärkten und in fast ländliche Gegenden, in denen noch die typischen aus Holz gebauten und auf Stelzen stehenden Thai-Häuser inmitten von Bananenstauden und üppig blühender Bougainvillea stehen. In solch einer Gegend liegt V64.

Sebastian Heiner: Fulmination, 2013. 
Oil and spray on canvas, 130 x 200 cm

Die Thais nehmen ihre Hauptstadt mit buddhistischer Gelassenheit als etwas Gegebenes, Unveränderbares hin. Sie verbringen Stunden auf dem Weg zur Arbeit, drängen sich in überfüllten Hoch- und Untergrundbahnen, schlafen in Bussen, die stundenlang auf Kreuzungen stehen oder gemächlich durch kleinere Stadtviertel zuckeln. Abends treiben sie zu Hunderten Sport in den Parks oder machen auf jeder sich bietenden Freifläche Aerobic zur Musik aus der mobilen Stereoanlage und zu den Bewegungen einer ausgebildeten Vortänzerin. Meist essen sie in den direkt an der Fahrbahn aufgebauten mobilen Garküchen und in Straßenrestaurants. Sie feiern zu Tausenden die buddhistischen Feste oder den Geburtstag des Königs und fahren an Feiertagen Hunderte von Kilometern aufs Land, um für wenige Stunden ihre Familien zu sehen. Jeder kann in Bangkok sein Glück versuchen. Einhundertausend gehen jedes Jahr aus der Provinz in die Hauptstadt, eröffnen ein Geschäft, ein kleines Restaurant, lernen, studieren oder reihen sich in das Heer der kleinen Angestellten und Arbeiter ein. Politische und soziale Unruhen zwischen den gering Verdienenden, der wachsenden Mittelschicht und den Regierenden brechen so unvermittelt wie Unwetter über die Hauptstadt herein. Zerstörungen sind schnell beseitigt, das Leid von vielen bald vergessen. Thais dürften Bangkok nicht als Chaos, sondern die vielfältigen Erscheinungsbilder der Stadt und ihre gesellschaftlichen Strukturen als geordnet empfinden.

Sebastian Heiner: Clash, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Der Ausländer, der hier seinen Geschäften nachgeht, wird nie herausfinden, ob er sich unter Millionen von Individualisten oder in einer durch offenkundige Muster geregelten Massengesellschaft aufhält. Was anarchisch wirkt, ist durch Traditionen, familiäre, religiöse und staatliche Normen und festgefügte Überzeugungen von Oben und Unten im öffentlichen Leben geregelt. Gesellschaftlichem Zwang versuchen viele durch grenzenlosen Konsum in der globalisierten Warenwelt zu entkommen. In der thailändischen Kunst, in Malerei, Graphik, Installationen, Videos und Medienkunst, ist dieser Konflikt heute ein gängiges Thema. 

 Sebastian Heiner: Phantom, 2013. 
Oil and spray on canvas, 200 x 130 cm

Das Chaos entsteht in unseren Köpfen. Wir sitzen auf dem Balkon im zehnten Stock unseres Appartement-Hochhauses und blicken auf eine Stadt mit Millionen von Lampen, umgeben von futuristisch angestrahlten Hochhäusern, Leuchtreklamen und Rücklichtern endloser Schlangen von Fahrzeugen. Wir begegnen Menschen, die uns mit großer Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit und tausend Fragen auf den Lippen ansehen und Fremden nur selten Zugang zu ihrem Privatleben gewähren. Schnell fällt der Blick auf die kleinen Dinge. Thais sind Meister des Designs, der Dekoration und der schnellen Improvisation. Provisorisches, schnell zusammen Gezimmertes, überdauert Jahre. Wo Traditionelles abgerissen wird, entsteht Neues aus Stahlbeton, Aluminium und Glas. Die Fotokamera hält alte chinesische Tempel fest, Slums und heruntergekommene Kinos neben Geschäften mit internationalen Marken, gewagte Farbkombinationen auf Häuserwänden, kuriose Betonkonstruktionen, Blumenmärkte mit Bergen von Orchideen und die unentwirrbaren Knäuel elektrischer Leitungen, die gefährlich nahe auf Bürgersteige herunter hängen. Sebastian Heiner hat das mit Fotos und Texten in seinem Internet-Blog beschrieben.

Sebastian Heiner: Blazing Heat of Sun, 2013. 
Oil and spray on canvas, 140 x 180 cm

In seinen Ölbildern findet sich davon offenbar nichts. Theoretischer Hintergrund seiner Kunst sind ungegenständliche Tendenzen, die mit dem Abstrakten Expressionismus und dem Action Painting vor der Mitte des vergangenen Jahrhunderts in Amerika entstanden und sich in unterschiedlicher Gestalt manifestierten. Jackson Pollock schuf Drippings, indem er Ölfarbe von Pinseln und aus Dosen auf plan liegende Leinwände tropfen ließ, der aber auch schweres Impasto aus Farbe, Sand und Glasscherben mit Stöcken und Messern zu reliefartigen Oberflächen verarbeitete. Franz Kline visualisierte mit balkenartigen schwarzen Zeichen gestischen Ausdruck und malerisches Handeln. Bei Robert Motherwell stehen ähnliche Formen sorgsam komponierten Farbräumen gegenüber. Cy Twombly wurde von Graffiti und Kritzeleien zu einer Bilderschrift inspiriert, mit der er das von Pollock erfundene All-over, das spannungsgeladene Füllen der gesamten Bildfläche, kultivierte. Im künstlerischen Mittelpunkt aller stand der Malprozess, den vor allem Pollock als unbewussten oder auch spontanen Ausdruck psychischer Befindlichkeit verstand und der von sich selbst sagte: „Wenn ich mich im Bild befinde, ist mir nicht bewusst, was ich tue.“

In Europa entstanden zur gleichen Zeit Informel und Tachismus als stilistische Varianten der gestischen Malerei. Während in Paris Jean Fautrier ab 1947 mit einer Malerei aus plastischem Material den Übergang von der figurativen zur informellen Kunst vollzog, etablierte Georges Mathieu in öffentlichen Shows eine gesteigerte Form des Action Painting und attackierte in der Art eines Florettfechters riesige Leinwände mit explosionsartig gesetzten Farbflecken und informellen Zeichen. „Das Malen selbst wurde zum Bildthema, der Farbverlauf oder die Farbfigur zum eigentlichen Inhalt.“ (Karl Ruhrberg) In Deutschland gestaltete Emil Schumacher mit hohem körperlichen Einsatz und scharfem Intellekt farblich und kompositorisch brillante Bildlandschaften ohne Bezug zur realen Welt. Karl Otto Goetz schrieb nach langen meditativen Phasen mit dem trockenen Pinsel gestische Bahnen in feuchte Farbströme, eine Arbeitsweise, die als „psychischer Automatismus“ bekannt wurde. Fred Thieler schuf noch bis in die Achtzigerjahre farbige Bildräume mit kosmisch anmutenden Farbwolken, deren gesprühte und gespritzte Oberflächen, Rinnspuren und getrocknete Krusten aus Farbpigmenten seinen Bildern Plastizität und eruptive Präsenz verleihen.

Sebastian Heiner: Incidence of Light, 2013. 
Oil and spray on canvas, 130 x 200 cm

Anders als die Protagonisten der Mitte des vorigen Jahrhunderts, die sich im Wesentlichen auf nur ein für sie kennzeichnendes Gestaltungsprinzip festlegten, kann Sebastian Heiner heute frei auf das gesamte Repertoire an kreativen Möglichkeiten der informellen Malerei zurückgreifen und dieses weiter entwickeln. Einer seiner künstlerischen „Heroen“ ist Emil Schumacher, was sich in seinen Bildern in einer hohen Sensibilität und intellektuellen Durchdringung des Verhältnisses von Farbgebung, Formfindung und Komposition niederschlägt. Seine Malweise ist jedoch ist reines Action Painting wie es uns von Pollock, Mathieu  und Goetz überliefert ist und bei dem gleichzeitig eine starke Verinnerlichung, das Freisetzen unbewusster kreativer Energien und „psychischer Automatismus“ zum Tragen kommen. 

Sebastian Heiner: Live Performance
Studio V64, Bangkok, Jan. 2013

Während wir bei den Künstlern des Zwanzigsten Jahrhunderts auf schriftliche Berichte angewiesen sind, stehen ihm heute die Performance und dokumentarische  Videos als begleitende wenn nicht selbstständige künstlerische Formen zur Verfügung. In Shanghai dokumentierte der Videojournalist Peter Wollring eine Malperformance von Sebastian Heiner ohne Publikum auf dem Dach des Atelierhauses mit dem Titel „Subliminal Session“ und einem elektronischen Soundtrack von Sebastian Drichelt. Ausblicke auf die Dachlandschaft des Yangpu-Distrikts, der unweit vom Yangtzse-Fluss durch heruntergekommene und aufgelassene Industriebauten geprägt ist, sowie filmische Details von Hochhäusern, Brücken, Hafenanlagen, vorbei fahrenden Frachtschiffen, tristen Wohnbauten und vermüllten Hinterhöfen bilden dabei weniger einen Kontrast als vielmehr die Sinn stiftende Folie für die konzentrierte, fast brutale Malweise des Künstlers. Während er auf die Leinwand geworfene Ölfarbe mit Arm, Hand und einem als Spachtel dienenden Getränkekarton in Form und Komposition bringt, Sand und anderes Material in die Malschicht einarbeitet, befindet er sich in Pollocks Sinn unmittelbar im Bild und damit in einem kreativen Rückzugsraum, der ihn von der wüsten und trostlosen Umwelt isoliert. In Bangkok schuf der Künstler während einer öffentlichen Performance anlässlich des Künstlerfests zum Jahrestag von V64 den Entwurf des später überarbeiteten Bildes „Circulation“, wobei verstärkt Sprühfarben zum Einsatz kamen. Ein weiteres Video seiner dortigen Arbeit entsteht.

Sebastian Heiner: Circulation, 2013. 
Oil and spray on canvas, 200 x 400 cm

Ein Blick in sein Atelier in Bangkok zeigt, dass dennoch der Produktionsvorgang und die fertigen Gemälde strikt von einander getrennt sind. Während auf dem Atelierboden Farben, Tuben und provisorische Malutensilien der vorangegangenen Mal-Sessions als bizarrer, klebriger Materialteppich überdauern, hängen an weißen Wänden Kunstwerke von bestechend farbiger Schönheit. Auch hier bilden das Hässliche und der Abfall die Sinn stiftende Folie für die perfekte Ästhetik; denn das eine würde ohne das andere nicht existieren. Bei den Gemälden sind drei Kategorien zu erkennen: Bilder, bei denen sich Farben und Strukturen explosionsartig, wabernd oder in Eruptionen in verschiedene Richtungen bewegen, solche, bei denen pastose Zeichen und Gestisches im Mittelpunkt stehen, und eine dritte Kategorie, bei der Ton in Ton gemischte Farben und krustenartige Oberflächen ein ruhiges All-over bilden. Für den Künstler stehen das Experiment, das Verlangen, neue Farbenergien aufzubrechen und Phasen der Kontemplation nebeneinander. Analog zu Bildern von Emil Schumacher kann der Betrachter auch kosmische Energien und die Weite des Universum entdecken. Die in Bangkok neu entwickelten sternförmigen Bilder sind Experiment, weisen aber auch in diese Richtung. Schwere Goldrahmen, wie der Künstler sie für einige seiner in Shanghai entstandenen Bilder erfand, sind Ausdruck für ästhetische Vollendung und entfremden das Kunstwerk endgültig vom Arbeitsprozess.


Beijing, Shanghai und Bangkok sind die Experimentierfelder, vor deren Hintergrund die Arbeiten von Sebastian Heiner entstanden sind. Vor dem Chaos, das die Megacitys verkörpern, zieht sich der Künstler in das von ihm gefundene System aus ästhetischen Prozessen zurück. Dennoch stehen seine Werke mitten im Leben: Die im Nachhinein gefundenen Titel beschreiben nicht etwa den Inhalt der Bilder, sondern geben Beobachtetes aus der Zeit ihrer Entstehung wieder. Ohne seine Reflektionen über die Existenz in Städten, die vom menschlichen Größenwahn geprägt sind, ohne seine Performances und Videos wüssten wir wenig über seine Kunst. Vielleicht steht seine Malerei doch in engem Bezug zur fernöstlichen Philosophie. Denn die Grundprinzipien des Daoismus, der „Lehre des Wegs“, treffen auch auf seine Arbeit zu: Sein Antrieb ist das ständige Beobachten der Welt, sein Arbeitsprinzip der Weg, in dessen Zentrum Schatten und Licht, Yang und Yin, stehen. Das Höchste jedoch, so der chinesische Geschichtsschreiber Sϊ Ma Tsiën (163-85 v.Chr.), seien die Erkenntnis des Nicht-Erkennens und die Rückkehr zu einem vollendeten kosmischen Prinzip.





Axel Feuss:
MEGACITY ACTION PAINTING

Translation: Jessica Hodgkiss

Once again Sebastian Heiner journeyed to the Far East to paint. From 2004 till 2008 he maintained a studio in Beijing as well as in Berlin. Soon artists, curators and gallery owners living in China's capital started to take notice of him. At the end of his duration, works Sebastian made in China were shown in Beijing and in Germany in highly acclaimed solo exhibitions. In 2010/2011 he worked in Shanghai where he shared a studio in the North Bund Art Zone with painter Liu Gang. Now, in December 2012, he realised a long cherished dream of spending several months painting in Thailand's Capital Bangkok. Sebastian has been fascinated with the Far East since his first trip to China. His bond with the Far East is a result of his interpersonal experiences he made while working with his fellow painters. Is it possible, however, to perceive a bridge between Europe and the East or even a Daoistic principle in an abstract painter's works of art, as authors of previous catalogues have claimed to see? Would it be possible to detect influences of the local culture in the works made in Thailand?

Sebastian Heiner: Sounds in the Morning, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

The artist himself values the conclusion that a mere change of location from Berlin to bigger and even more vibrant cities would bring about a liberation of the self, prompting more creativity. He considers Beijing and Shanghai hellholes and Bangkok, too, describing it as a city that devours its inhabitants. Patrick Dreher, author of the catalogue produced in Beijing in 2007, confirms the chaotic character of Chinese metropolises which makes the inhabitants seem to suffer more than that it enables them to find pleasure. Bangkok too makes this impression on occasions: travelling by bus from one part of town to the other can take up to three hours.Sebastian Heiner presents his method of painting with explosive colours and the quality of a performance. He throws paint onto the canvas, squeezes oil paints from tubes, spreading them across the canvas using hands, arms and improvised spatulas. He uses brooms and fly swatters for structure. Is this the kind of art that reflects the chaotic appearance of overcrowded megacities?

Sebastian Heiner: After True Vision, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Many other European, American and Australian artists come to Bangkok as tourists. They get to know the city and make contacts with numerous art schools and with a slowly developing gallery scene before they begin to start making art. Unlike them, Sebastian Heiner found a studio in the urban area away from the tourist highlights after a short period of preparation and began painting straight away. It almost seemed as if he wanted to avoid too much contact or a too long stay and the intense influences of a foreign culture. The paintings he made there don't show figures or narrative elements like faces, extremities or Chinese characters as the ones he made in China. They are solely abstract paintings.

Sebastian Heiner: Flash City, 2013. 
Oil and spray on canvas, 180 x 140 cm

The artist rented a studio in the art collective V64. In 2011 this group of more than seventy artists acquired a complex of mostly single-storey warehouses grouped around a central square. Here they set up around forty studios, a gallery, an academy of fine arts, a music school and a coffee shop. Befriended Thai artists living alternately in Germany and Thailand suggested the collective to Sebastian Heiner. The artists from V64 are cosmopolitan, too. Many have studied abroad and stay in contact with galleries all over the world. Off the big highway, Chaeng Wattana, half way between the Chatuchak weekend market and the old airport, Don Muang, V64 is an oasis of piece and creativity.

Sebastian Heiner: Taxi, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

Bangkok is many things at the same time: a city of big shopping centres and busy boulevards where new hotels, offices and malls are built and where night markets are set up at rush hour. Bangkok is a city of small winding quarters, where people go about their day-to-day business, where they find essential supplies and never have to leave. Bangkok is the city of widespread suburbs divided by multi-lane roads, huge crossings, overpasses and urban motorways set on concrete pillars. On leaving these main roads via one of the side streets lined with flats and office buildings, one arrives at small street markets and almost rural areas. Here one can find typical Thai houses made of wood standing on stilts among banana plants and bougainvillea in full bloom. V64 is situated in such an area.

Sebastian Heiner: Fulmination, 2013. 
Oil and spray on canvas, 130 x 200 cm

The Thais accept their capital city with Buddhist calm as something given and unchangeable. It takes them hours to get to work as they push through crowded elevated and underground railways and sleep in buses which stop hours at crossings or slowly saunter through smaller districts. In the evenings several hundred Thais do sports in the parks. On every available open space they practice aerobics to music blasting from mobile stereos and copy move­ments by a skilled dancer. They often eat at street restaurants or mobile cook shops standing directly near the road. They celebrate Buddhist festivities or the King's birthday by the thousands and travel many miles to the countryside to see their families for just a few hours.Everyone can try their luck in Bangkok. One hundred thousand Thais leave the province for the capital city every year to open up a shop or a small restaurant, to learn, study or to join the army of employees and workers. Political and social unrest between low-income earners of the growing middle class and the governing irrupt over the capital as unpredicted as a storm. Damages are quickly repaired and the pain of many is forgotten in an instant. Rather than thinking of Bangkok as a place of chaos, Thais must think it an organised city with multifaceted appearances and social structures.

 Sebastian Heiner: Clash, 2013. 
Oil and spray on canvas, 110 x 160 cm

A foreigner going about his work here will never find out if he stands among millions of individualists or among a society with clear structures. What seems anarchic is in fact regulated in public life by traditions as well as family, religious and state rules and established beliefs from above and below. Many try to overcome social pressure by limitless consumption in a globalised consumer world. This conflict is a common theme in Thai art today and can be found in painting, graphics, installations, videos and media art.

Sebastian Heiner: Phantom, 2013. 
Oil and spray on canvas, 200 x 130 cm

We create chaos in our heads. We sit on the balcony of our ten story apartment building and look down at the city where millions of lamps are surrounded by futuristic illuminated sky scrapers, neon signs and back lights of a never ending line of cars. We meet people who look at us with much friend­liness, openness and with a thousand questions waiting to be asked but who seldom reveal their private life to a foreigner. The small things quickly become important. Thais are masters of design, of decoration and quick improvisation. Makeshift constructions last years. Traditional buildings make place for new ones made up of concrete, aluminium and glass. The camera captures old Chinese temples, slums, run-down cinemas next to shops filled with international brands, bold colour combinations on house walls, odd concrete constructions, flower markets with heaps of orchids, and inseparable knots of electric cables hanging dangerously close to the pavement. Sebastian Heiner describes these scenes with photographs and texts on his internet blog.

Sebastian Heiner: Blazing Heat of Sun, 2013. 
Oil and spray on canvas, 140 x 180 cm

His oil paintings, however, do not reveal these scenes. The theoretical background of his art are non-representational tendencies that originated in America before the 1950s, such as Abstract Expressionism and Action Painting that manifested in different forms. Jackson Pollock created Drippings by dripping paint off paint brushes and tubes onto the flat lying canvas. He also fabricated a rich impasto of colour, sand, and broken glass, using sticks and knives to form relief-like surfaces. Franz Kline visualised gestural expression and the action of painting with black beam like characters. Robert Motherwell sets forms against carefully composed colour spaces. Graffiti and scribbles inspired Cy Twombly to a pictography in which he cultivated the All-over, an invention by Pollock, where the artist fills the entire image area in a uniform manner. The act of painting was the main focus for all these artists. Pollock considered the act of painting a subcon­scious but also spontaneous expression of mental state and said about himself: "When I am in the painting, I am not aware of what I am doing."

At around the same time in Europe stylistic variations of gestural painting evolved, namely Arte Informale and Tachisme. In Paris in 1947 Jean Fautrier made the transition from figurative to informal art in paintings made with three-dimensional material while Georges Mathieu established an enhanced form of Action Painting in public shows. Like a fencer, Mathieu attacked huge canvases with explosively jotted daubs and informal characters. "Painting itself became the subject matter. Colour gradient and shape became the actual content." (Karl Ruhrberg). In Germany Emil Schumacher designed visual landscapes of outstanding colour and composition that shared no relation with the real world. He created them with much physical effort and a sharp intellect. After long periods of meditation, Karl Otto Goetz wrote gestural lines in wet paint with a dry paint brush, a process that was to become known as "psychic automatism". Fred Thieler created colourful image spaces well into the Eighties. Clouds of colour, almost cosmic in appearance, whose surfaces were sprinkled and sprayed contained trickles and dry crusts of colour pigments that gave his paintings a three-dimensional and eruptive edge.

Sebastian Heiner: Incidence of Light, 2013. 
Oil and spray on canvas, 130 x 200 cm

While the protagonists of the middle of the 20th century generally concentrated on one formal principle that extinguished them, Sebastian Heiner can today revert freely and develop the entire repertoire of creative possibilities that informal painting offers. One of his artistic "heroes" is Emil Schumacher. Schumacher's inspiration is reflected in Heiner's paintings by the use of a highly sensitive and intellectual intersection in the relation of colour application, form finding and composition. Heiner's way of painting is, however, pure Action Painting, as was handed down to us by Pollock, Mathieu and Goetz. It bears a strong internalisation, a discharge of subconscious creative energies and "psychic automatism".

Sebastian Heiner: Live Performance
Studio V64, Bangkok, Jan. 2013

We depend on written documents concerning artists of the 20th century. Heiner, however, can make use of performance and documentary videos. They are additional material and art forms in their own right. Video journalist Peter Wollring documented a painting performance by Sebastian Heiner in Shanghai. Titled "Subliminal Session", the video shows the artist painting on the rooftops of his studio without an audience present. An electronic soundtrack by Sebastian Drichelt accompanies the action. Not far from the River Yangtze, rootops views capture the Yangpu District with its run-down and abandoned industrial buildings. Close-ups of tower buildings, bridges, harbours, passing freighters, dull housing and littered backyards constitute less a contrast than a meaningful background for the artist's almost brutal way of painting.Heiner lashes oil paint onto the canvas and mixes in sand and other materials. Using hands, arms and a spatula formed out of a drink carton, he creates form and composition. He is in the picture, as Pollock would say. He is in his own space of creativity which isolates him from the surrounding wasteland. During a public performance in Bangkok on the occasion of the anniversary celebration of V64, the artist created the concept for the later revised painting "Circulation". We can see an intensified use of spray paints in this painting. Another video of the artist at work is made. 

Sebastian Heiner: Circulation, 2013. 
Oil and spray on canvas, 200 x 400 cm

A glimpse into his studio in Bangkok shows that producing paintings and completing them are two separate processes. On the studio floor we can see paints, tubes and makeshift painting utensils from the last painting session that form a rather bizarre sticky carpet, while beautifully colourful artworks hang on white walls. Even here ugliness and waste set the stage for perfect aesthetics. One wouldn't exist without the other. We can organise the paintings into three categories: paintings which show explosive movements of colour and structure, weaving and erupting in different directions; paintings emphasising three-dimensional characters and gestures and a third category where colourful shades and crusty surfaces create a calm All-over. The artist sees experimentation, the desire to release new energies of colour and periods of contemplation all as equally important. As is also the case in Emil Schumacher's paintings, the viewer can detect cosmic energies and the vastness of the universe. The newly developed star shaped paintings made in Bangkok are an experiment but point in the same direction. Heavy golden frames similar to the ones the artist devised for some of his paintings from Shanghai are an expression of aesthetic completion and separate the artwork from the production process.


Beijing, Shanghai and Bangkok offer opportunities to experiment. In these megacities, Sebastian Heiner creates his artwork. The artist retreats from the chaos to a system of aesthetic processes he created for himself. Nevertheless, his artworks are full of life. Titles which were decided after the paintings were completed do not describe the subject matter but rather tell of the experiences from the time of their making. Without Heiner's reflections on living in cities marked by human megalomania and without his performances and videos we would know little about his art. Perhaps his art really is closely related to the philosophy of the Far East, for the main principles of Daoism, the "teachings of the way", also apply to his work. His drive is a constant observing of the world. His work principle is to go the way which holds darkness and light, Yang and Yin at its centre. The highest principle, however, according to the Chinese historian Si Ma Tsien (163-85 B.C.), is the awareness of not knowing and the return to cosmic law.