December 09, 2009

Roland Schefferski (3)

Mirosława Moszkowicz:
EMPTY IMAGES
Einige Überlegungen zu den künstlerischen Arbeiten von Roland Schefferski

EMPTY IMAGES, Los Angeles Times, Friday, August 4, 2000

Bilder werden verhängt, verdeckt, beseitigt, z.B. als Ausdruck von Boykott gegen etwas, das wir nicht mehr sehen möchten, als ein Effekt von Zensur, als Geste zum „Abkühlen” der Eindrücke, um zu viele visuelle Verführungen zu vermeiden. Das Auslöschen von Bildern kann auch als ein Ausdruck von Verlust gewertet werden (es gab etwas, das es nicht mehr gibt), oder als Versuch, Schichten zu entfernen, die andere Bilder verdecken, so wie man etwa Farbschichten auf einem alten hölzernen Möbelstück entfernt oder Fresken auf einer Mauer freilegt.

In dem Zyklus seiner als Empty Images betitelten Arbeiten hat Roland Schefferski Fotografien aus den Titelseiten der Los Angeles Times und der Berliner Zeitung herausgeschnitten und entfernt. Diese schlichte Geste bewirkt eine ebenso einfache Reflektion: hier fehlt etwas. Anstatt ruhig die Zeitung zu lesen und die Bilder zu betrachten, sehen wir Leere, genauer eine weiße, gerahmte Fläche. Der Künstler ließ sozusagen als Spur einen schmalen farbigen Rand des jeweiligen Fotos übrig. Das Bild wurde so reduziert auf die Rolle eines Passepartouts. Mit einem leeren Rahmen verhält es sich ähnlich, wie mit der Stille. Man kann beide nicht anders definieren, als über den Hinweis, dass es sich hier um das Gegenteil von der Anwesenheit eines Bildes oder eines Klangs handelt. Die Geste des Künstlers lässt sich daher vor allem als Einladung lesen, diese Leere selbst zu füllen.

In vielen seiner künstlerischen Arbeiten zeigt Roland Schefferski seine außergewöhnliche Fähigkeit, auf subtile Weise in die Sphäre der uns umgebenden Wirklichkeit einzugreifen. Es ist so, als wollte er prüfen, ob an den Gegenständen, die uns durch unser Leben begleiten, an den Kleidern, an den Bildern, ob an diesen Dingen vielleicht irgendwelche Rückstände unserer Vergangenheit und unserer Identität zurück geblieben sind. In seinen 1997 realisierten Ausgelöschten Bildern schnitt er mit eben dieser Methode Motive aus Bildern, die das Leben der Berliner im 20. Jahrhundert darstellten. Auf diese Weise lässt er an die Erinnerungen einfacher Leute denken, deren brüchige Spuren oft im Tumult der großen Geschichte verloren gehen. Gleichzeitig aber lädt er die Betrachter dazu ein, die Geschehnisse zu rekonstruieren, sich die Vergangenheit anhand der Bildfragmente vorzustellen, die er in Magazinen oder privaten Kammern des Alltags gefunden hat. Mach Dir Dein eigenes Bild von Berlin – dazu lud Schefferski in seiner gleichnamigen Arbeit auf Billboards im Jahre 2000 in Warschau ein. Der Künstler selber sagt, dass alte Fotografien, ähnlich wie Bilder, wichtige Vehikel der kulturellen Vergangenheit sind: sie sind Speicher von Spuren unserer menschlichen Aktivitäten und Träger der in ihnen kodierten Informationen. Aber können zeitgenössische Objekte, mediale Bilder, Fotografien in Zeitungen, Fotos aus der Werbung, die unsere Umwelt überspülen, können sie die Rolle einer einfühlsamen Aufzeichnung menschlicher Schicksale übernehmen, können sie Dokumente unserer (wessen?) Anwesenheit sein?

EMPTY IMAGES – Mach Dir Dein eigenes Bild von Berlin, Berlintage in Warschau, 2000

Das Vorgehen des Künstlers in Empty Images kann mit der Methode der Dekonstruktion (Derrida) verglichen werden, mit Versuchen, die Masken und Schichten abzureißen, die uns von den Medien der Welt vorgegaukelt werden, die die Macht über unser Sehen und Denken, über unsere Erinnerung und unsere Vorstellungen gewonnen haben. Jedoch ist die eigenartige Dekonstruktion von Realität, die der Künstler vornimmt, kaum begonnen, sie gleicht eher einem Versuch, den Betrachter dazu anzuregen, sich in den Spalt hineinzubegeben, den er nur leicht sichtbar gemacht hat. Die Leere der Bilder ist Signal dafür, einen Prozess zur Enthüllung des Problems zu beginnen und dient nicht dazu, es zu verstecken oder davon abzulenken. Vielleicht liegt gerade in der Einladung zur Reflektion dieser subtilen künstlerischen Provokation die Kraft und die Qualität des Konzeptes von Roland Schefferski. Aber sind wir nicht ratlos im Angesicht der Herausforderungen, die uns der Künstler zuwirft? Auf welche Informationen sollen wir uns berufen, wenn wir versuchen, die leeren Orte zu füllen, die uns der Künstler bereitet hat? Sind wir überhaupt in der Lage, unser eigenes Bild der Realität zu schaffen? Können wir uns auf unsere eigenen Erfahrungen berufen, auf unsere individuelle Erinnerung, die Erinnerung in Gruppen, auf unsere Gefühle, unsere Vorstellungskraft, auf die Wissenschaft, auf das Allgemeinwissen oder auf das globale Informationsnetzwerk, das Internet? Die vielfältigen Fragen weisen darauf hin, dass der Künstler einen besonderen Raum für den Diskurs geöffnet hat. Es handelt sich über einen beunruhigenden und gefährlichen Raum, denn er entblößt unsere Verlegenheit, so schwer ist es sich heute selbst zu definieren. Wir haben die Möglichkeit verloren, ein deutliches Porträt und unserer Anwesenheit zu zeichnen oder den kritischen Blick zu üben angesichts der auf uns einströmenden Bilder.

Aufgrund unseres Kontaktes zu virtuellen Welten, im Fernsehen oder im Internet, neigen wir dazu, verschiedene Elemente von Identität, verschiedene Standpunkte, anzunehmen, zu modifizieren und zu verbinden. Das führt zu einer Vervielfältigung des Subjektes. Derrick de Kerckhove (1996) ist der Ansicht, dass gegenwärtig die Identität zu einer Ableitung eines Existenzpunktes geworden ist. Da wir aber an vielen solcher Punkte gleichzeitig existieren, haben wir es mit einer Multiplikation von Identität zu tun. Bedeutet das aber nun eine Vervielfältigung von Welt?

In Empty Images komponiert der Künstler in gewisser Weise die Standpunkte Berlin, Los Angeles und andere Orte auf der Landkarte zusammen. Aber kann man in diesem Netz von Zeitungsblickwinkeln noch den Menschen erkennen? Die in Illustrierten, Zeitungen und anderen Medien abgebildeten Gestalten sind eher Zeichen, als reale Menschen. Fotografen wie Philosophen konstruieren ihre Reflektionen zum Thema Realität, d.h. sie erschaffen eine besondere Version davon. Auf jeden Fall geht es hier um eine Interpretation von Welt. Pressefotografien sind nicht Ausdruck von Realität und Ereignissen, sondern von Politik und Ideologie, sie sprechen die Sprache von Macht und Reklame, sind oft Realitätskreationen oder Simulationen – wie Baudrillard sie bezeichnet – Zeichen, die nicht die Realität repräsentieren, sondern Fiktionen. Dennoch können Realität und Fiktion auf Grundlage von Wahrheitskriterien nicht – wie Vilém Flusser schreibt – unabhängig voneinander unterschieden werden. Die „Wahrheit“ ist nur eine Projektion unseres gegenwärtigen Wissens und Informationsstandes. Aber genau dieses Wissen und diese Informationen kreieren die Medien. Bedeutet das, dass es keine eigene Welt jenseits der Medienwelt und der Zeitungswelt mehr gibt?

Die Zeitung von Roland Schefferski, die er in dem Zyklus Empty Images benutzt, ist weder ein durch seine Kunst hervorgebrachtes Material, weder ein Effekt des Reinigungsprozesses” von Bildern, noch ein Bereich für ästhetische Reflektionen. Sie ist eine der Realität entnommene Probe, die feinen Eingriffen unterzogen wurde, um die unklare Situation zwischen den von den Medien oder der visuellen Kultur vorgegebenen Bildern und unserer eigenen Fähigkeit Vorstellungen zu bilden, bzw. unsere eigene, menschliche Geschichte zu erzählen.

EMPTY IMAGES, Berliner Zeitung, Freitag,
14. September 2001

Zwei Philosophen verdanken wir wichtige Reflektionen über die Bedeutung von Bildern in unserem Leben. Einer von ihnen ist David Hume, der feststellte, dass wir die Bilder in unserem Geist bilden. Der zweite ist Martin Heidegger, der den heute zum Allgemeingut gewordenen Gedanken äußerte, dass die Welt zu einem Bild wird. Es scheint mir, dass Schefferski den Betrachter dazu provoziert, den Sinn von Bildern in sich selbst zu suchen – sozusagen der „digitalen Phantasie“ (eine Bezeichnung von A. Renaud) zum Trotz. Gleichzeitig aber sät er Misstrauen gegenüber einer aus Bildern gestrickten Realität, zumal sie heutzutage die Vielschichtigkeit des Lebens verflachen, das Leiden, das Alter und den Tod eliminieren. Schlechte Botschaften lassen sich schlecht verkaufen und kratzen nicht nur am Wohlbefinden der Politiker.

Statt sich weiter an der Vervielfältigung von Bildern zu beteiligen, erkennt der Künstler die Gefahr ihrer Ansammlung und ihrer manipulativen Kraft. Bereits in den 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts machte Walter Benjamin auf eine neue Situation der europäischen Kultur und das Problem individueller Subjektivität in der modernen Gesellschaft aufmerksam. Er bemerkte Veränderungen in der Art individuellen Erfahrens unter dem Einfluss der technischen Reproduzierbarkeit von Bildern, sowie ein Übermaß an Reizen, was er als „Zerstreuung“ bezeichnete. Die zivilisatorischen und perzeptorischen Veränderungen werden nicht von einer Entwicklung moralischer Reflektionen und Konzepte begleitet, d.h. die Geschwindigkeiten der technischen Entwicklung und der Entwicklung von Werten sind ungleich. Anstelle von Erfahrungen kommt es zum Schock, sagt Benjamin, während Paul Virillo die moderne Kultur als einen Austausch von „Ereignissen” auffasst/bezeichnet, von „Geschehnissen“ (Heidegger) zu „Unfällen“ („accidents”). Kulturforscher meinen, dass eine starke Reizüberflutung natürlicherweise auch eine besondere Art der Reinigung ist und sogar die Bereitschaft zur Aufnahme neuer Eindrücke bewirkt. Also ändert sich nicht nur der Inhalt, sondern auch der Charakter unserer Perzeption, sowie das Verhältnis zwischen Bild und Wirklichkeit.

Die Photographie verändert Geste und Bewegung hin zu einer statischen Form, ein komplexes Ereignis bewirkt sozusagen das Anhalten der Zeit für einen Augenblick, zerstückelt den Strom der Welt in Elemente, Fragmente und ausgewählte Ausschnitte. Meist glauben wir der Photographie, wir haben ein instinktives Bedürfnis, Zusammenhänge zwischen dem Bild und dem ausgewählten Bereich der Wirklichkeit zu suchen. Aber ist das, was wir auf dem Papier sehen noch dasselbe, wie das, was wir sehen und direkt berühren können?

Wenn wir den Gedankengängen von Paul Virillo folgen, wird uns klar, was für Veränderungen die Entwicklung der Informationstechnik mit sich gebracht hat, die sich in diesem Zusammenhang natürlich auch auf die Beziehung zwischen den Bildern und unserem Verständnis von Zeit, bzw. zwischen den Bildern und der Gegenwart oder einer Spur von Anwesenheit. Während man in der vorherigen Epoche (der Dialektik des Bildes, d.h. die Epoche der Entwicklung der Fotografie, des Kinos, des Fotogramms) noch über die Anwesenheit des (fotografierten) Gegenstandes sprechen konnte, über die Anwesenheit der „gefrorenen” Vergangenheit auf der Fotoplatte (an diese Anwesenheit erinnert uns Schefferski nicht nur einmal), so haben wir es heute - im Zeitalter „der paradoxen Logik des Bildes“ (Bezeichnung von Virillo), des Fernsehbildes und des digitalen Bildes – zu tun mit der Aufhebung der Anwesenheit des Gegenstandes in der realen Zeit, denn die Virtualität dominiert die Aktualität. Die Reklame- und Zeitungsfotografie kann die Erinnerung, kann die Spuren naher oder ferner Vergangenheit nicht mehr festhalten, sondern zeigt eher den Willen, eine Zukunft zu suggerieren. Zeitgenössische mediale Bilder fegen die Vergangenheit hinweg, machen sie ungültig, die reale Anwesenheit an einem bestimmten Ort, sie wollen die wirkliche Zeit überholen. Nicht mehr die Wandlungen der Geschichte und ihre Schicksale bilden den Kontext unseres Lebens und unseres Seins, sondern die Dynamik der Perzeption, die ständige Notwendigkeit die Welt zu erkennen, dauernd abgelenkt von dem Strom visueller Reize. Die Welt erleuchtet und erlischt in einem fort, sie ist schwer zu greifen, es dominiert eine Ästethik der Geschwindigkeit und des Verschwindens – wie Virillo es formuliert. Schaffen wir also eine Gesellschaft, die sich die Möglichkeit entzieht, sich in der Gegenwart und in der Geschichte zu verankern? Statt der Kommunikation zu dienen, erschöpft sich die Information in der Inszenierung von Kommunikation (Baudrillard).

Zeitgenössische Bilder ändern nicht nur unser Zeitgefühl und unsere Verwurzelung in der Zeit, sondern wandeln auch unser Raumgefühl. Der öffentliche Raum füllt sich dicht mit Bildern. Virillo sagt sogar, dass der öffentliche Raum durch ein öffentliches Bild ersetzt wurde. Viele genaue Beobachter zeitgenössischer Kultur machen uns auf einen Karnevalisierungsprozess, eine Theatralisierung, eine Disneylandisierung bei der Vermittlung von Welt aufmerksam. Im Effekt haben wir es mit einem Prozess der Ästhetisierung (Wolfgang Welsch) aller Lebensbereiche zu tun: des Körpers, des Hauses, der Straßen, der Städte, der Politik, des Tourismus, ja sogar des Krieges, was im Grunde zu einem mächtigen Anwachsen einer Zone der Künstlichkeit führt, zu einem Totalkonsum der Bilder, zu Betäubung, fehlendem Einfühlungsvermögen, einer Abstumpfung der Gefühlswelt und zu Identitätsveränderungen führt (Baudrillard, Welsch, Ferestone, Jameson, Baumann). Das hat eine merkwürdige und gleichzeitig bedrohliche Verzauberung unserer selbst und des Raumes, in dem wir leben, zur Folge.

Ausgelöschte Bilder, Berlin 1997

Von der Stadt – als Theater menschlicher Aktivitäten, mit ihren Hinterhöfen, Kirchen, belebten Marktplätzen, mit zu gleichen Teilen anwesenden Akteuren und Zuschauern – zur CINECITTÀ, und weiter zur TELECITTÀ, einer Stadt, die von abwesenden Fernsehzuschauern bewohnt wird – von der Erfindung des städtischen Fensters als Vitrine, in der man Gegenstände und Personen hinter Glas zeigt, (...) war es nur ein kleiner Schritt zur Optik elektronischer Medien in einer Fernsehübertragung, die nicht nur ein Gebäude mit Vitrinen erschaffen kann, sondern ganze Vitrinenstädte und Vitrinenvölker, (…), die auf paradoxe Weise in der Lage ist, auf große Entfernungen Individuen in standardisierten Meinungen und Handlungen miteinander zu verbinden (Virillo – La machine de vison,1988). Wir haben die Fähigkeit verloren (wenn wir sie je hatten), Bild und Welt voneinander zu unterscheiden. Es ist so, als würden wir in einem Bild leben, als würden wir uns von Bildern ernähren und Bilder atmen.

Es gab eine Zeit der Sehnsucht nach Bildern und der Verehrung von Bildern. Der Prozess ihrer Herstellung war nur für Talentierte und Eingeweihte bestimmt. Es gab eine Zeit des Verbotes der Schaffung von Bildern und eine Zeit, in der sie nach bestimmten Regeln erstellt wurden. Es gab Zeiten, in denen die Bilder sorgfältig aufbewahrt wurden und Situationen barbarischer Bildzerstörungen und Bilderraub. Baudrillard hat diesen historischen Prozess vom Triumph und dem Versagen kultureller Bilder gut beschrieben, als Ergebnis der technischen Entwicklung von Reproduktionsmöglichkeiten. Er weist darauf hin, dass unsere Epoche ein Gefühl für Realität verloren hat, indem sie Simulationen, Imitationen und Fiktionen anstelle von Realität schafft. Zeichen und Bilder treiben frei umher, losgelöst von jeder Bedeutung, was nicht ohne Einfluss auf unsere Sichtweisen bleibt. Daher suchen wir heute nach Antworten auf die Frage, wie die Fotografie und mediale Bilder – die wir selbst erschaffen haben – unsere Welt konstruieren und welchen Sinn sie ihr geben. So, wie das Medium selbst, hat auch unsere Sichtweise der Realität Einfluss auf die visuelle Kultur. Bilder haben längst ihre Unschuld verloren. Die Skepsis des Künstlers gegenüber Bildern muss uns jedoch merkwürdig vorkommen, denn im allgemeinen Bewusstsein sind ja gerade die Künstler Erzeuger von Bildern. Schefferski hingegen handelt gerade im umgekehrten Sinne. Das Ausschneiden der Bilder in Empty Images ist eine Art Geste der Demontage der „Sichtmaschine”. Der Künstler stellt uns auf die Probe, indem er uns fragt, ob wir noch etwas sehen, ob wir noch in der Lage sind, uns ein eigenes Bild von der Welt zu machen?

Roland Schefferski nennt seine Arbeit Empty Images. In einer anderen seiner Arbeiten hatte er Motive alter Bilder von Berlin und Gdansk (Danzig) ausgeschnitten und entfernt. Er fragt uns nach Wahrheiten, die im Schatten der Geschichte der Menschen und der Städte entfernt wurden, nach unserer Fähigkeit, uns die Vergangenheit vorzustellen, wobei er die deutsche und die polnische Sprache benutzte. Die Bilder vom Anfang des 20. Jahrhunderts vermochten noch eine individuelle Welt (Gdansks, Berlins) zu „erinnern”, eine reale Anwesenheit notieren. Jedoch Empty Images beziehen sich auf den Kontext der Welt als globales Dorf, den McWorld, eine Sphäre, in der wahrscheinlich niemand mehr individuelle menschliche Geschichte erzählen kann, die mit einem konkreten Ort verbunden ist.

Obrazy wymazane z pamięci, Ausgelöschte Bilder, Empty Images. In diesen verschiedenen Projekten benutzt der Künstler verschiedene Sprachen und ergänzt mit unterschiedlichen Adjektiven ein Wort: Bild. Er könnte doch, als ein seit langem in Berlin lebender Europäer, sich in seinen Arbeiten einer ausgewählten Sprache bedienen, z.B. Englisch oder Deutsch, oder als Pole nur die polnische Sprache benutzen. Das Wort, sein Klang, oder auch sein grafisches Aussehen, erzeugen ebenso einen emotionalen, geschichtlichen, kulturellen Kontext, usw., für den Schefferski besonders empfindlich ist. Deshalb wechselt der Künstler die Sprache je nach Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Ort, eine andere menschliche Geschichte. Er bemüht sich darum, die Arbeit für einen sprachlichen Raum zu öffnen, worin wir ebenfalls den Sinn seines Schaffens suchen sollten. Das Sprechen beruht auf dem Ausatmen, das ist Recht, Verpflichtung, Spiel. Bereits die Intonation selbst und die sprachliche Materie erschaffen Wissensblöcke – schrieb Roland Schefferski in seinem Text zu einer seiner künstlerischen Arbeiten im Ujazdowski Schloss in Warschau. Für den Künstler ist die Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel. Die Sprache, das Wort, saugt sich voll mit Geschichte, bereits ihr Laut erzeugt Emotionen, setzt unsere Erinnerung in Gang und ist beteiligt an der Erschaffung unserer Identität. In Empty Images zeigt uns Schefferski verschiedene Zeitungen: die amerikanische Los Angeles Times und die deutsche Berliner Zeitung. Der englische (oder amerikanische?) Titel der künstlerischen Arbeit bezieht sich auf einen bestimmten sprachlichen Raum. Das englische Wort empty hat einen weitreichenden Bedeutungskreis, es bedeutet nicht nur leer, aber ebenso oberflächlich, sinnlos und haltlos. Die Benutzung einer bestimmten Sprache kann sich ebenso auf einen geographischen, politischen und kulturellen Kontext beziehen. Sie verweist in diesem Fall auf den amerikanischen Denkraum, der im Umlauf globaler Informationen besonders wichtig ist.

Auf die für ihn charakteristische, subtile Art stellt Roland Schefferski Objekte, Bilder und Wörter zusammen. Alles scheint uns irgendwie bekannt, der Künstler fügt eigentlich nichts hinzu, er verschiebt nur die Akzente, ändert die Zusammenhänge, entfernt bestimmte Elemente oder fügt auf einfühlsame Weise seine Geste direkt in die reale Wirklichkeit ein. Durch solche Zusammenstellungen erschafft er gewissermaßen einen neuen „Text”, der uns zu einem anderen „Lesen” der vordergründig bekannten und gewohnten Welt. Indem der Künstler subtile Eingriffe im Bereich der Gegenstände und Bilder vornimmt, erlaubt er uns nicht, uns in Selbstzufriedenheit zurückzulehnen und die Möglichkeiten eines „anderen“ Betrachtens zu vergessen. Seine Installationen und Interventionen werfen immer die Frage auf: wie denkst Du darüber?, das betrifft Dich. Schefferski will der Gebundenheit von Vorstellungen und der zerstreuten Perzeption, an die uns die Medien gewöhnen, entgegenwirken. Er lädt den Betrachter zu einer aufmerksamen und kritischen Lektüre der Welt ein. Ist das möglicherweise heute die Rolle des Künstlers?

EMPTY IMAGES, Berliner Zeitung, Montag, 8. Oktober 2001